⚫ ⚫ ⚫ ⚫ ⚫
Mit ihrem Debüt ‚Die Aufdrängung‘ hat Ariane Koch (Basel 1988, Studium der Bildenden Kunst und Interdisziplinarität) einen Roman abgeliefert, mit dem ich mich auch Tage später noch beschäftigte und der durchaus das Zeug hat, nachhaltig zum Highlight der deutschen Literatur der 2020er Jahre zu werden.
‚Die Aufrängung‘ handelt von einer alleinstehenden Hausherrin in einem viel zu großes, bröckelndes Haus, die eines Tages ein Gast bei sich aufnimmt. Dieser ist als Fremder interessant – doch auch als ihr Diener und als Gegenstand ihrer Machtsphantasien. Die Anwesenheit des Gastes wird im Laufe der Erzählung immer allgegenwärtiger, bis die Wege des Gastes, der wieder geht, und der Hausherrin, die verreist, sich trennen.
Das ist zunächst nicht viel – eine solche Geschichte hätte durchaus von vielen Autor:innen stammen können, zumal sie auch noch chronologisch erzählt wird. Was ‚Die Aufdrängung‘ aber interessant macht, ist nicht so sehr der Gegenstand der Geschichte, sondern vielmehr die Art und Weise, wie Ariane Koch die Geschichte erzählt – das ‚wie‘, statt das ‚was‘.
Sprachlich sieht es nämlich ganz danach aus, als hätte Ariane Koch eine eigene Sprache entwickelt, die sich nicht in herkömmlichen Stilbezeichnungen einfangen lässt. Eine Sprache, die sich hervorragend liest, weil jedes Wort immer passt. Eine Sprache aber, die vor allem auch irritiert und verwirrt, weil sie den Gegenstand der Erzählung zwar nie aus dem Blick verliert, aber doch ständig zwischen dem Poetischen und Sachlichen, zwischen Magie und Realismus, und zwischen Spiel und Ernst hin- und herbewegt und dadurch in den kleinsten sprachlichen Räumen sehr bildhaft, geradezu allegorisch, wird.
Wenn ‚Die Aufdrängung‘ sprachlich voller kleinen Allegorien steckt, könnten diese durchaus auch im Großen vorhanden sein. Da drängt sich die Frage auf, ob der Roman nicht eine einzige Allegorie ist. Tatsächlich lässt das Buch sehr viel Raum für Interpretation. Ist der Gast wirklich ein Gast? Oder ein Liebhaber? Oder ein Hund? Oder gleich Beides – Liebhaber und Hund? Im letzteren Fall wäre statt Gastfreundschaft wohl eher von einer sogenannten female led relationship oder einer anderen Liebesbeziehung der besonderen Art die Rede… Damit scheint es so, als wäre der Titel des Buches Programm: Schließlich scheint es nicht der Gast zu sein der sich der Hausherrin aufdrängt, sondern das Buch selbst, das in den Köpfen der Leserschaft an Eindeutigkeit verliert, sich festsetzt und in den Gehirnen der Leserschaft bedeutungsschwanger immer größer wird.
Darin weißt Ariane Kochs Roman große Parallelen zu Rudi Nuss‘ ‚Die Realität kommt‘ auf, das ich unlängst vorstellte: Auch dort irritierten die Umgebungen und Geschehnisse, die weder völlig phantastisch, noch ganz realistisch erschienen. So etwas setzt sich fest – vor allem in einer Welt, die zu verstehen schwieriger geworden ist, als je zuvor.
🔸 Erschienen: Suhrkamp Verlag (www.suhrkamp.de/), 2021
🔸 Umfang: Taschenbuch mit Schutzumschlag, 179 Seiten
🔸 Preis: € 14,- (D) / € 14,40 (A)
🔸 ISBN: 978-3-518-12784-1
Schreibe einen Kommentar