Johann Holtrop (Rainald Goetz)

Cover / Umschlag Rainald Goetz, Johann Holtrop

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Dieser Roman von Rainald Goetz handelt von einem doch recht skrupellosen und machthungrigen Manager namens Johann Holtrop, der versucht, seine Position und Macht in der Welt der Finanzen und der Wirtschaft zu festigen – letztendlich aber scheitert – nicht nur beruflich. Und dieser Roman geht um Männer. Männer, die sich gegenseitig auf die Schultern klopfen, die sich in schnellen Autos vorfahren lassen, und die sich aus Hab- und Machtgier in kurzlebigen Zweckbündnissen zusammentun.

Vor allem in Bezug auf die Finanz- und Bankenkrise und nachfolgende Wirtschaftskrise um 2008/2009, in der die Handlung des Romans angesiedelt ist, hätte das spannend sein können. Hätte, denn dieses Werk von Rainald Goetz will, vor allem im Verhältnis zum restlichen Oeuvre dieses Autors, nicht so wirklich überzeugen.

Ja, wieder einmal zeigt sich Goetz als großer Erzähler, der sich mühelos dem szenetypischen Sprachgebrauch anpasst und auf gekonnter Weise Fiktion und historische Realität (die Figur des Holtrop ist offenbar auf den deutschen Manager Thomas Middelhof basiert) miteinander vermischt. Darin ist Goetz groß.

Aber in seinen früheren Werken, wie in etwa in der Erzählung ‚Rave‘ oder dem Roman ‚Irre‘, klappt das besser. Da konnte Goetz aus eigenen Erfahrungen schöpfen, was offenbar dazu führte, dass er Erfahrungen und Gefühle seiner Protagonist:innen unglaublich präzise und auch mit großer Tiefe darlegen konnte. Hier funktioniert das leider weniger gut. Zu sehr macht sich bemerkbar, dass Goetz bei diesem Werk nicht aus eigener Erfahrung schöpfen konnte und beispielsweise stundenlang in den Chefetagen hiesiger Unternehmen verbracht hat. Für Johann Holtrop musste der Schriftsteller sich wohl verlassen auf die Bilder, die auch uns allen aus öffentlicher Berichtserstattung oder vom Hörensagen bereits bekannt sind. Deswegen fehlt in Johann Holtrop die Würze, aber vor allem auch die Nuance: Die Darstellung der menschlichen Kälte in der Geschäftswelt ist zu radikal, es fehlt die Ambivalenz – dass Manager außer Manager auch Menschen und damit Gefühlswesen sind, bleibt unterbelichtet. So wirkt der Roman irgendwie flach – noch ganz davon abgesehen, dass das Werk irgendwie schlecht gealtert ist. Denn die traumatische Erfahrung, die von vielen Menschen um etwa die Jahre 2008/2009 vorhergesagt, von manchen Stimmen sogar herbeigesehnt wurde, ist ausgeblieben: Wer redet heute, in unseren Zeiten, noch über die Finanzkrise 2008? Sie ist aus heutiger Sicht nicht mehr als eine Kräuselung in der Wasseroberfläche.

Ja, Goetz ist ein großer Autor, da dürfen wir keinen Zweifel hegen. Johann Holtrop ist ein ganz netter Roman. Von diesem Autor jedoch gibt es aber andere Werke, die, auch viele Jahre nach ihrem Erscheinen, viel gelungener und aktueller sind, etwa ‚Rave‘, ‚Irre‘, oder ‚Kontrolliert‘, und die ich somit eher empfehlen kann.

🔸Erschienen: Suhrkamp Verlag ( https://www.suhrkamp.de), 2014
🔸Umfang: Taschenbuch, 342 Seiten
🔸Preis: € 10,00 (D)
🔸ISBN: 978-3-518-46512-7


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