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Dieses Buch erschien in der deutschen Übersetzung erst 2017 (Originalsprache 2009), ist aber immer noch ’neu‘ erhältlich – hätte ich es bei der Buchhandlung nicht zufällig aus dem Regel gezogen, hätte ich es nie gelesen. Dass das Buch nach 9/11 und mitten in der Finanzkrise, aber noch vor dem ‚arabischen Frühling‘ zu Stande kam, ist wichtig zu wissen. Schließlich sah die Welt damals anders aus. Trotzdem ist der Roman (oder Kurzroman) von Jérôme Ferrari auch heute überraschend aktuell.
Das Buch handelt von einem jungen Mann aus einem kleinen Dorf, der entschieden hat, seinem Leben einen Sinn zu geben und als Söldner in die Wüste zu ziehen. Zurück in seiner Heimat findet der junge und von den Kriegserlebnissen traumatisierten Mann natürlich keinen Halt – außer in der Erinnerung einer Jugendliebe. Doch aus dem frohsinnigen Mädchen von damals ist eine junge Frau geworden, die in den Fängen des Kapitalismus geraten ist und sich der Karrierewelt vollständig angepasst hat – „Life is competition“ steht schließlich in Großbuchstaben im Büro der Firma, für die sie arbeitet. Es kommt wie es kommen muss, nach dem im Wüstenstaub gescheiterten Traum vom Heldentum, erweist auch das Verlangen nach sommerlicher Leichtigkeit unerreichbar – das Ende unterstreicht dann nur noch die Tragödie.
Das ist zunächst eine düstere Geschichte. Aber sie wird nicht chronologisch, sondern in zweiter Person singular aus der Perspektive eines hintergründigen und nur anwesenden Ich-Erzählers erzählt. Dabei wird auf jeglichen Dialog verzichtet. Den gefühlvollen Stil, den das zu Folge hat, klassifizierte manche Rezensent:in, zum Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und des Deutschlandradios, kurzerhand als ‚pathetisch‘.
Zwar ist der Stil etwas gewöhnungsbedürftig, aber sie ist auch notwendig – handelt es sich hier bei genauerem Hinsehen mehr um ein Einblick in eine verletzte Seele als um eine Geschichte. Denn schließlich handelt es sich in ‚Ein Gott ein Tier‘ um eine existentielle Frage handelt – ohne jedoch mit einem erhobenen Zeigefinger zu schwingen und zu urteilen. Denn inwiefern sind Menschen, so, wie sie sich für Gewerke (Krieg, unternehmerischer Erfolg) buchstäblich aufopfern, eigentlich Menschen? Inwiefern kann das identitätsstiftend sein?
Dass bei der Leserschaft aus diesem (Neo-)Existentialismus eine moralische Frage werden dürfte, nämlich die, inwiefern es eigentlich vertretbar ist, dass wir dieses Aufopfern als Gesellschaft ohne Weiteres zulassen, verleiht der düsteren aber durchaus auch romantischen Geschichte einen Funken Hoffnung. Schließlich sind moralische Fragen in unseren Zeiten gleichzeitig auch immer politische Fragen.
Insgesamt also ein faszinierender Kurzroman, dazu noch in einem grafisch äußerst sorgfältig versorgten Leineneinband – kleine Randbemerkung: der Secession-Verlag nennt im Impressum nicht nur die Standardsachen, sondern auch Papiersorte, Lektor:in, Korrektor:in und Schriftart, ich finde, darin ist der Secession-Verlag ein Vorbild: Wirklich, das sollte jeder Verlag so machen!
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