Die Inseln (A. Alberts, Übs. v. Waltraud Hüsnert)

Buchcover A. Alberts De Eilanden Die Inseln

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Der Erzählband ‚Die Inseln‘ erschien 1952 und war das Debüt von A. Alberts (1911-1995). Das Buch besteht aus 11 Erzählungen, die mit Ausnahme der ersten und letzten Geschichte gut in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können. Die erste Erzählung handelt von der Ankunft eines Kolonialfunktionärs in einem nicht namentlich genannten Überseegebiet, die letzte Erzählung von dessen Wiederkehr zur Heimat. Die restlichen Erzählungen bestehen aus singulären Erfahrungen, Eindrücken und Begegnungen.

Zentrales Thema der Erzählungen ist wohl das Fremde. Der Kolonialbeamte, der sich im Überseegebiet fehl am Platz fühlt, weil ihm Kontakte zu Einheimischen fehlen und er sowie die anderen Kolonialbeamten nicht so recht einen Plan oder eine Mission haben, was zu tun ist. Folglich sind die Arbeitstage mit der Mittagsruhe zu Ende, dann wird vor allem getrunken, gegessen und weiter geruht. Auch wenn der Kolonialbeamte zurück in seiner Heimat ist, bleibt das Fremde ein Thema, einerseits, weil die Menschen nun wissen wollen, wie es Übersee war, andererseits, weil ihm das Lebensgefühl der Tropen irgendwie zu fehlen scheint. Dies gipfelt sich zum Schluss der Erzählung in der Beschreibung eines Traums, aus der durchaus eine politische Botschaft zur damaligen ‚Aufgabe‘ des damaligen niederländischen Ost-Indien abgeleitet werden könnte.

Das macht das Buch, das kurz nach der Indonesischen Unabhängigkeit erschien, inhaltlich durchaus interessant – zumindest für diejenige, die sich mit dem sogenannten ’niederländisch-indischen-Mischkultur‘ ein wenig auskennen. Ansonsten dürfte sich das Buch der Leserschaft eher schwer erschließen. Ich frage mich entsprechend, aus welchen Gründen der Suhrkamp Verlag sich gerade für die Übersetzung und Veröffentlichung von ‚Die Inseln‘ entschieden hat – zumal die eigentliche Thematik des Fremden in A. Alberts‘ späteren in 1974 erschienenen Roman ‚De Vergaderzaal‘ (was ich in diesem Falle mit ‚Die Tagung‘ oder ‚Die Versammlung‘ übersetzen würde) viel deutlicher, kraftvoller und für ein deutschsprachiges Publikum zugleich auch mit größerer Nähe zur Geltung kommt.

Entsprechend ist es für mich unverständlich, dass Van Oorschot und Suhrkamp oder ein anderer deutscher Verlag ‚De Vergaderzaal‘ noch nicht in deutscher Sprache veröffentlicht haben.
Auch, wenn A. Alberts in ‚Die Inseln‘ stilistisch noch nicht so stark ist, wie in etwa seinem späteren und bereits erwähnten Werk ‚De Vergaderzaal‘, zeichnet sich die Größe seines Könnens in ‚Die Inseln‘ bereits hervorragend ab. Wie kein Anderer weiß A. Alberts gewöhnlicher Umgangssprache mit den sprachlichen Gepflogenheiten aus dem Büro-, Politik- oder Wirtschaftsalltag zu vermischen. Die Folge ist eine kompakte Sprache, die leicht zu verstehen und alles andere als witzlos ist und in der niederländischen Literatur ein stilistischer Höhepunkt darstellt – kein Geheimnis ist, dass A. Alberts entsprechend teilweise Jahre lang an wenige Dutzende Seiten arbeitete.

In der deutschen Übersetzung von Waltraud Hüsnert bleibt das Meiste davon erhalten. Nicht nur inhaltlich, auch sprachlich bleibt der Erzählband in der deutschen Fassung deswegen ein großes Lesevergnügen. Kleine Rafinessen gehen in der Übersetzung jedoch verloren – so steht im niederländischen Original das formelle aber etwas umgangssprachliche und modernere ‚Meneer‘ statt das höchstformelle und altertümliche ‚Mijnheer‘ – die Übersetzerin hat sich jedoch für die deutsche Fassung unnötigerweise dafür entschieden, das niederländische ‚Meneer‘ nicht in einfach stehen zu lassen, sondern durch ‚Mijnheer‘ zu ersetzen. Gleiches gilt für den Satzbau mancher Sätze, der in der deutschen Fassung unnötigerweise angepasst wurde – was teils sogar zur kleinsten inhaltlichen Unterschieden zum niederländischen Original führt. Das ist schade, denn gerade bei Übersetzung aus dem Niederländischen kann man solche Dinge dank der sprachlichen Nähe beider Sprachen eigentlich immer vermeiden.

Bedingt durch die Übersetzung und das spezielle Thema des Erzählbands kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die schriftstellerische Leistung dieses auch in den Niederlanden nur einem kleinen Kreis bekannten Schriftstellers in ‚Die Inseln‘ nicht wirklich zur Geltung kommt. Was der Inhalt betrifft, liegt ‚Die Inseln‘ einer deutschsprachigen Leserschaft vielleicht zu fern – die Thematik des Fremden dürfte auch gewöhnlichen Lesenden wohl noch auffallen, ist in A. Alberts Erzähldebüt jedoch noch nicht so stark ausgearbeitet als in seinem späteren Werk. Für rein Deutschsprachigen bietet das Buch trotzdem viel Lesevergnügen und ist immerhin eine gute Gelegenheit, das erste Mal mit dem Schaffen von A. Alberts in Berührung zu kommen. Ansonsten bleibt das Warten auf eine Übersetzung vom ‚De Vergaderzaal‘.

🔸 Erschienen: Suhrkamp Verlag (Frankfurt a.M., 2003) (www.suhrkamp.de)
🔸 Umfang: Gebunden mit Schutzumschlag, 158 Seiten
🔸 Preis: nur antiquarisch verfügbar
🔸 ISBN: 3-518-41469-0


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